Newsletter Oktober 2019

Liebe Freundinnen und Freunde Sanko-jis

Ich hoffe, ihr habt die Musse zumindestens Phasen dieser wunderbaren Herbsttage zu geniessen. Nur im Herbst ist die Luft so klar, die Farben so schön wie sie sind, die Stimmungen mit ihren mannigfaltigen Kontrasten so vollendet, dass ich am liebsten die ganze Zeit Stimmungen fotografieren möchte.

Hier in der Zenklause ist nun die reiche Ernte eingefahren, die letzten süssen Trauben verspeise ich gerade, im Keller reifen Birnen und Quitten nach.
Es ist die Zeit des Erntedankes und die Vorbereitung auf die Zeit des Rückzugs ins Haus, in der wir uns traditionell weniger Bewegen, mehr in uns zurückziehen und Rückbesinnen.
Hier in Sanko-ji haben wir noch die Möglichkeit im Rhythmus der Jahreszeiten/Natur zu leben und ich bin sehr dankbar dafür,

Diese wertvolle Zeit des Rückszugs beginnt hier dann auch mit einer ausgebuchten Naikanwoche geleitet von Suzan Mazumdar, auf die ich mich sehr freue. Die nächste Möglichkeit Naikan zu üben, wäre dann über den Jahreswechsel, eine „starke“ Zeit für den Rückzug.

In den letzten Tagen habe ich mich mit der Vorbereitung der Naikanwoche (Essensplanung/Einkaufen/Organisation) beschäftigt und mit der Übersetzung der Fussnoten 9 zu Zazen von Issho Fusshita. Das Übersetzen fiel mir dieses Mal schwer, da das Thema Loslassen und die detaillierte Sprache die Fusshita benutzt bzw. die Gründlichkeit und Kleinschrittigkeit mit der er erklärt, mir grosse Schwierigkeiten in der Wortwahl bereiteten. Loslassen, die Essenz des Zazen, sollte aber tiefgründig von jedem Praktizierenden verstanden und angewandt werden können, so war es nötig, dass ich mir grösstmögliche Mühe gab. Doch empfehle ich mangels meines Übersetzungsvermögen, in jedem Fall das englische Original zu lesen. Ich wünsche viel Freude beim Nachvollziehen der Gedankengänge und dem Herabtauchen in die Möglichkeiten und Freuden des Loslassen. Ich empfehle allen Übenden egal welchen Übungsgrads, das Wesen des Loslassen zu durchdringen und hierin nicht nachzulassen.

Was sind die Alternativen zu Loslassen während des Zazens? – Kämpfen, Aushalten, Wegträumen/Dösen,….Das Erleben der Freude und Leichtigkeit von Zazen, wie von Meister Dogen beschrieben, insbesondere in einem Sesshin, geht nur über das virtuose Anwenden des Loslassen. Schmerzen körperlicher oder seelischer Art sind doch, so eine Sichtweise, oft Folge von Verspannungen psychischer und/oder muskulärer Art. Wie sollte ein Rohatsu mit 14 Stunden Sitzen/Tag zu Zazen in Leichtigkeit und Freude führen, ohne Loslassen? (abgesehen von der richtigen Zazenhaltung natürlich, s. Fussnoten 1-6):-) Wie sollte vieles andere Leid dieser Welt zu Freude führen?

Eine persönliche Anmerkung mit Beispiel: Persönlich finde ich das Loslassen während eines Sesshin nach fast dreissig Jahren Übung als recht einfach. Das 7Tage Sitzen à 14 Stunden, wie bei einem Rohatsu à la Antaiji führen einen wie von selbst dort hin. Freude und Leichtigkeit werden zur Basis. Doch im Alltag finde ich es immer noch schwierig jederzeit loszulassen, besonders bei körperlichen Schmerzen. Durch eine verkrümmte Wirbelsäule und diverser Schleudertraumen in der HWS kann es bei mir durch Überbelastung/Fehlbelastung oder kleinere Unfälle immer wieder zu sehr starken Verspannungen im rechten Rückenbereich kommen, die wenn ich sie nicht Loslassen kann, zu starken Verspannungskopfschmerzen mit Atemproblemen im schlimmsten Falle gar zu Migräne führen können. Natürlich habe ich in den letzten Jahren meine Dehnübungen entwickelt und es gelingt mir in 99% der Fälle selbst innerste, einst tief verborgene Muskeln zu entspannen; doch fand die Überbelastung auf mehreren Ebenen statt, z.B: Wandern, Holzspalten und noch ein kleiner Ausrutscher beim Wandern, dann können die Verspannungen komplex und unübersichtlich werden und mich zu tagelangem ständigen Loslassübungen führen. In sehr seltenen Fällen (1-2x pro Jahr) hilft aber immer noch gar nix, ausser eine Schmerztablette nehmen,…ergo weiter Loslassen;-)
Doch durch unendliches Loslassen kann ich auch im Alltag ständig aktiv Verspannungen loslassen bzw. die Muskeln der Wirbelsäule aus der Fehlhaltung durch aktives Gegensteuern bei gleichzeitigem Entspannen herausführen. In einem Sesshin führt dieses Loslassen/ aktive Korrektur durch jahrelange Übung zu ununterbrochenen Üben auch im Schlaf, also nonstop….es wird zur heilenden Gewohnheit. Im Arbeitsalltag, kann ein längerer Unterbruch der „aktiven, unbewussten“ Übung allerdings zu immer wieder kehrenden Rückschritten bzw. Stillständen führen, so dass sich der ganze Prozess über Tage hinziehen kann. Das klingt mühsam, doch wie wunderbar ist doch das Gefühl der Selbstkontrolle, ich kann meine Krankheit selber heilen und bin dadurch körperlich auch immer noch recht fit und belastbar. Ein Gefühl grosser Dankbarkeit und Freiheit sind Folge dieses unablässigen Übens körperlichen Entspannens und Autokorrektur. Über die Benefits des Loslassen auf den verschieden geistigen Ebenen mag ich jetzt gar nicht erst eingehen.
Also…, deswegen finde ich die Fussnoten 9 auch ungemein wichtig, versucht er doch diesem wichtigen, schwierigen Thema auf den Grund zu gehen und es uns Nahe zu bringen. Zazen/Sesshin ist keine Askese!

Ein wunderbaren Herbst des Loslassen euch!

Herzlich und Gassho
Gyoriki